Am Mittwoch den 31. März 2021 informierten Hersbrucks erster Bürgermeister Robert Ilg, der zweite Bürgermeister Peter Uschalt, der Mittelfränkische Bezirkstagspräsident und Landrat des Nürnberger Landes Armin Kroder sowie der ehemalige Bezirksrat Fritz Körber die Presse über die sich neu anbahnenden freundschaftlichen Kontakte zwischen der Stadt Hersbruck in Mittelfranken und der Gemeinde Oradour-sur-Glane in der Französischen Region Nouvelle Aquitaine.
Der Bayerische Bezirk Mittelfranken und die Französische Region Nouvelle-Aquitaine haben insgesamt 40 Partnerschaften. Bereits 1981 mit einer Regionalpartnerschaft zwischen Mittelfranken und dem Département Haute-Vienne begonnen, ist diese Partnerschaft immer mehr gewachsen. Nach einer Regionalreform in Frankreich 2016 „verpartnerte“ sich die neu gegründete Region Nouvelle-Aquitaine, in der das Limousin aufgegangen ist, mit Mittelfranken.
Insofern ist eine Freundschaft oder Partnerschaft zwischen einer Französischen und einer Deutschen Gemeinde an sich nicht spektakulär, aber diese Verbindung könnte etwas Besonderes werden.
Oradour-sur-Glane steht in Frankreich für das größte Massaker Deutscher Truppen im 2. Weltkrieg in Westeuropa. 642 Menschen wurden am 10. Juni 1944 von Soldaten der Deutschen SS-Panzerdivision „Das Reich“ getötet. Wer nachlesen möchte, was damals passierte, kann das sehr einfach tun, indem er „oradour“ in die Websuche eingibt. Ein guter Eintrag über das Massaker in Oradour findet sich bei Wikipedia: https://de.wikipedia.org/wiki/Massaker_von_Oradour oder man informiert sich auf der privaten Webseite von Michael Williams mit sehr vielen Hintergründen unter https://www.oradour.info/ (in Englisch).
Als Bezirksrat a.D. Fritz Körber 1983 das erste Mal in Oradour war, war das ein einschneidender Moment in seinem Leben.
„Dort bekamen wir als Deutsche hasserfüllte Blicke der Einheimischen zugeworfen und ich habe mir gedacht, das darf nicht immer so bleiben“
Fritz Körber
38 Jahre nach diesem ersten Besuch kommt es nun zu dieser Pressekonferenz, weil sich Oradours Bürgermeister Phillipe Lacroix 2020 mit dem Wunsch an den Bezirk Mittelfranken gewandt hat, freundschaftliche Kontakte mit einer mittelfränkischen Kommune zu knüpfen. Aber es sollte eine Kommune sein, die ebenfalls eine „Leidensgeschichte“ in der Nazizeit hatte. Für Fritz Körber, ehemaliger „Außenminister“ des Bezirkes und seit vielen Jahren enger Freund eines der wenigen Überlebenden des Massakers, Robert Hébras, konnte das nur die Stadt Hersbruck sein.
Hersbrucks „Leidensgeschichte“ begründet sich in der Tatsache, ein KZ im Ort gehabt zu haben, in dem die Häftlinge unfassbare Grausamkeiten erdulden mussten.
Im Frühjahr 1944 wurde auf dem Gelände einer ehemaligen Reichsarbeitsdienstkaserne das KZ Hersbruck aufgebaut, nach Leitmeritz das zweitgrößte Außenlager des KZs Flossenbürg, über das ich an anderer Stelle schon geschrieben habe. In Hersbruck und den im benachbarten Happurg liegenden „Doggerstollen“, in denen die Häftlinge eine unterirdische Motorenfabrik für Jagdflugzeuge bauen sollten, starben bis Kriegsende etwa 4000 Insassen.
Oradour-sur-Glane steht als Mahnmal für die Kriegsverbrechen der Nazis in Frankreich. Die Ruinen des Ortes stehen seit Kriegsende unverändert da. Oradour wurde nebenan neu aufgebaut. Ganz im Gegensatz dazu in Hersbruck, hier steht nichts mehr. Schon in den 50er Jahren wurde alles abgerissen, was an das KZ erinnerte. Lediglich die alte RAD-Kaserne, die als SS-Kommandantur diente, blieb stehen und beherbergte erst eine Schule und dann später das Finanzamt.
Bis zum Jahr 1982/1983, als der Schüler Gerd Vanselow (+) für seine Facharbeit am örtlichen Gymnasium über das KZ das Forschen begann, war von Seiten der Stadt und der Bevölkerung der Mantel des Schweigens über diesen Teil der Geschichte der Stadt gelegt worden. Erst dann begann man sich mit der Aufarbeitung der düsteren Vergangenheit zu befassen. Im Jahr 1983 stellte die DGB Jugend einen Gedenkstein am ehemaligen KZ-Gelände auf.
Schon vorher gab es allerdings eine Verbindung nach Frankreich. Bereits seit Mitte der 50er Jahre kamen immer wieder ehemalige Insassen des KZs nach Hersbruck um Blumen niederzulegen und zu gedenken. So erzählt es Wolfgang Süß, der als Französischlehrer am Gymnasium ab Mitte der 90er Jahre die Betreuung der Besucher aus Frankreich übernahm. Später kam die Gruppe der „Association des Déportés et Familles des Disparus du Camp de Concentration de Fossenbürg et Kommandos“) regelmäßig.
Nach den anfänglichen offiziellen Besuchen der Franzosen, gab es 1998 erste Bestrebungen einen Gedenkort zu schaffen. 1999 kam es zur Gründung des Vereines Dokumentationsstätte KZ Hersbruck e. V. Auf der Webseite des Vereines kann man sich über die Geschichte des KZ Hersbruck informieren. 2016 schliesslich entstanden in Hersbruck und Happurg mit Hilfe der Stiftung Bayerische Gedenkstätten zwei Dokumentationsorte.
Das alles als Hintergrund, warum diese sich anbahnende Verbindung so außergewöhnlich werden könnte. Von Hersbrucker Seite fühlt man sich sehr geehrt durch das Ansinnen Oradours. Nun bleibt abzuwarten, was sich aus diesem zarten Pflänzchen entwickelt. Von deutscher Seite ist hier viel Fingerspitzengefühl gefragt.
„Partnerschaft und Verständigung sind permanente Anfragen an das Herz des Menschen“
Fritz Körber
Artikel in den Nürnberger Nachrichten